Frauengeschichte als Demokratiegeschichte
Selbstermächtigung und Emanzipation vom 19. Jahrhundert bis heute
Die Mitbegründerin der deutschen Frauenbewegung, die Schriftstellerin Louise Otto-Peters (1819–1895), schrieb 1848: „Die Geschichte aller Zeiten, und die heutige ganz besonders, lehrt: dass diejenigen auch vergessen werden, welche an sich selbst zu denken vergaßen.“ 1917 konstatierte die spätere Zentrums-Politikerin Hedwig Dransfeld (1871–1925): „Denn die Frau von heute weiß, dass sie als einzelne dem Volksganzen gegenüber für gewöhnlich ohne Macht und Einfluss ist; sie muss sich ihre Organisationen selber schaffen und durch sie Macht und Einfluss gewinnen.“ Selbstermächtigung war das Wort und Gebot der Frauen der Frauenbewegungen im Kaiserreich, denen erst mit der Weimarer Republik 1918 das aktive und passive Wahlrecht zugesprochen wurde.
Die neuere Wahlrechtsforschung hat diese Frauen in den Blick genommen und dabei einen Politikbegriff angewandt, der als citizenship i. S. v. bürgerschaftlichem Engagement zu verstehen ist und subjektive, selbstermächtigende Praxen zwischen Handlungsmöglichkeit und Handlungsfähigkeit auslotet. In diesem Sinne haben Frauen schon lange vor der Gewährung des Wahlrechts Politik gemacht – in kirchlichen Fürsorgeeinrichtungen, Vaterländischen Frauen- und selbstorganisierten Bildungsvereinen sowie in berufsständischen Zusammenschlüssen. Wie lässt sich dieses Engagement als Demokratiegeschichte fassen?
In diesem Bildungsurlaub wird es um bürgerliche und proletarische Frauenbewegungen, um die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus, um weibliche Emanzipationsbewegungen in Ost und West sowie um aktuelle Diskussionen um Identitäten, Marginalisierungen, Privilegien gehen. Thesen wie die von Kristen Rogheh Ghodsee, Professorin an der University of Pennsylvania, dass Frauen im Sozialismus besseren Sex haben, werden ebenso diskutiert wie die Position Judith Butlers, dass die Frauenbewegungen „Frau“ nur geschaffen haben, um darauf ihre politische Agenda aufzubauen.
Eine Tagesexkursion mit Gesprächsrunde wird Sylter Frauen vorstellen, über die die dort geborene Journalistin Susanne Matthiessen schreibt, dass sie seit jeher eine starke Stellung hatten und die bis 1977 geltend Regelung des BGB, dass Frauen nur mit Erlaubnis ihres Ehemannes einer Arbeit nachgehen durften, auf Sylt nie gegolten hätte.
Die spannende Frage der Bildungswoche wird sein, wie die Aktivitäten und Zusammenschlüsse von Frauen zu einer demokratischen Entwicklung beigetragen haben. Wie lässt sich Demokratiegeschichte als Frauengeschichte schreiben? Und welche Frauengeschichte braucht Demokratiegeschichte?
Zielgruppe: Arbeit nehmende, Fachkräfte/ Multiplikator*innen der (politischen) Bildungsarbeit, interessierte (junge) Erwachsene
Teilnehmer*innenzahl: 12 – 20
Teilnahmegebühr: 700 €
Leistungen: Durchführung des Seminars, Übernachtung im Einzelzimmer, Vollverpflegung, Unterlagen
Die Veranstaltung ist geeignet als Arbeitnehmerweiterbildung/ Bildungsurlaub/ Bildungsfreistellung nach den Ländergesetzen in NRW und Baden-Württemberg.
Für Teilnehmende aus anderen Bundesländern mit Bildungsurlaubs-Regelungen kann eine solche Anerkennung beantragt werden, wenn das Interesse frühzeitig mitgeteilt wird.
Beginn
02.06.2024 um 15:00 Uhr
Ende
07.06.2024 um 14:00 Uhr
Leitung
Susanne Abeck
Uta C. Schmidt
Ort
AKADEMIE AM MEER VOLKSHOCHSCHULE KLAPPHOLTTAL 25992 List / Sylt
700 €
mit Übernachtung
Preis inkl. MwSt.
Anmeldung bis: 01.04.2024
Teilnehmer: 10 bis 15
Seminar-Nummer: BU2412
Themenfeld: Demokratie und Partizipation